Kleingartenanlage "Paradies" an der Schlichtallee Berlin

Ist lernförderliche Lebensgestaltung nötig?

»Lernförderliche Lebensgestaltung« erzeugt Sinn (das Bild, konstituierende Lernbedingungen), die Instititutionalisierung, Formalisierung, ermöglicht die Verwertung (den Rahmen, modifizierende Lernbedingungen). Für das Erstere sind wir daher selbst verantwortlich oder können selbst verantwortlich gemacht werden, für das Letztere ist Wachsamkeit notwendig, so lange nicht wir selbst für uns verwerten, sondern für jemand Anderen.

Ich sehe das Thema eher umgekehrt. Lernen ist der Naturzustand. Lernen muss nicht gefördert werden, wir können nicht anders, wir Menschen, aber auch die Tiere, ja, ich behaupte selbst Bäume und Steine, tun das immer.

Durch Umstände und Personen (modifizierende Arbeits- und Lernbedingungen) werden Menschen daran gehindert, gehemmt, selbständig, autopoietisch, zu lernen (durch Vorenthalten von Wissen über Rechteeinschränkungen, Paywalls, staatliche Anerkennung und Zertifizierung u. a.) oder das Lernen wird in ideologische (das heißt, die Interessen anderer Menschen verfolgende) Richtungen gelenkt (religiöse Einschränkungen, Auswahl von Berufsfeldern, Vorenthalten von Bildungswegen).
Lernförderliche Arbeits- und Lebensbedingungen sind daher immer ideologisch geprägt: In wessen Interesse wird was gelernt und was nicht? Ich habe ja schon mal geschrieben: „So wie Arbeit nach Hegel »gehemmte Begierde« ist, »aufgehaltenes Verschwinden«, ist formelles Lernen gehemmtes Lernen, aufgehaltenes Verschwinden – es bildet (formt nach einem ideo – logischen Bilde).« 
Das Hindern, oder Hemmen kann natürlich auch ein Kanalisieren sein, also ein Begehren in Bahnen lenken, ein Ausufern, Verlieren, Verflachen, ein Verwirren, ein Verführen verhindern. Da liegt die politische Entscheidung: Wo soll kanalisiert werden und wie? Wildwuchs wie übermäßige Zivilisation hat je seine Vor- und Nachteile. Die können gefeiert oder beklagt werden.
Letztlich entscheidet hier die Macht, das Spiel der Kräfte. Heraus kommt etwas, das keiner gewollt hat. Die politische Arbeit in Bezug auf Lernbedingungen, sei es während oder außerhalb dessen, was gemeinhin „Arbeit“ genannt wird (also in der Regel abhängige, sozialversicherungspflichtige, entfremdete Tätigkeit) bezieht sich daher immer auf den Sinn des Kanals, der Regulierung, der Beschränkung.
Jede/r Aktive auf dem Gebiet sollte bescheiden genug auftreten, sich nicht als Ermöglicher, Demiurg, Omnipotenz gegenüber dem Lernen anderer Wesen zu verstehen, sondern als Gärtner, der/die auch falsch liegen kann, der/die Interventionen in die sich selbst organisierende Welt des Lernens weise gestaltet, das heißt nach Heraklit: „Fragment 112: Das Denken ist der größte Vorzug, und die Weisheit besteht darin, die Wahrheit zu sagen und nach der Natur zu handeln, auf sie hinhörend.“
Das Herrschen muss aus der Welt des Lernens entfernt und durch das behutsame Gestalten ersetzt werden. Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer, auf die Nutzung der Bildung als Herrschaftsinstrument wird nicht verzichtet werden, weder von Regierungen, noch von Organisationen, noch von Privatpersonen. Dies zu hoffen, wäre eine unsinnige Utopie.
Alles, was über das Herrschen je gesagt wurde und gesagt wird, findet hier Anwendung, von der Voltaireschen Vision „aufgeklärter Herrscher“ bis zur Autopoiese von Maturana und Varela und  des modernen Neoliberalismus.
Das Ergebnis ist die Zivilisation, die Zerstörung des Naturzustandes, das Ersetzen der Natur durch den Garten, das Eingefriedete, das Paradies auf Erden.
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