3-Body-Problem.

Zweikörpersysteme und Dreikörpersysteme oder „Gibt es eine andere Möglichkeit als Streiten?“

Spätestens seit der Pandemie hat sich eine Tendenz in der Diskussionskultur verstärkt, welche vorher schon existiert hat.

Statt zu diskutieren, also einen Dialog aufzunehmen mit dem Ziel, eine neue, gemeinsame Meinung oder Haltung zu entwickeln, wird immer mehr nur noch statuiert, geht es nur noch um den Genuss beim Recht bekommen. Es geht gar nicht so sehr um das wirkliche Rechthaben, nicht um Richtigkeit, sondern um die Überhand im Gespräch, gerne auch mit Drohungen untermauert. Es ist hier eine Machtfrage, die mit Scheinargumenten gehandelt wird.  

Es geht nur noch um Gut und Böse, schön und hässlich, um Dichotomien. Bist du dafür oder dagegen? Diese Frage lässt sich so nur stellen, wenn vorher die Komplexität des Problems auf eine Zweiwertigkeit reduziert wurde. Es wird also abstrahiert. Hegel hat das 1807 in einer frühen Schrift sehr schön dargestellt.

Dieses Null-Summen-Spiel, also ein Gesprächsspiel, in dem es immer einen Sieger und einen Verlierer gibt, verspricht offenbar den meisten Genuss in der Durchführung und den geringsten Veränderungsbedarf beim eigenen Standpunkt. Verstärkt wird das durch die Anonymität der sozialen Medien, es zeigt sich aber bei vielen Hasskommentaren, dass selbst die Nachverfolgbarkeit nicht zur Abnahme des Interesses an diesem Genuss führt. Es wird offen, auch auf Demonstrationen auf der Straße gehasst. Offensichtlich ist das Genussversprechen des Hasses, des Dagegenseins größer als das der Kooperation, der Auseinandersetzung, des Kompromisses.

Deshalb laufen dort auch alle wissenschaftlichen Diskussionsvorschläge ins Leere. Das Desinteresse an Komplexität, an dem „Es kommt darauf an …“ zeigt sich auch in einer vehementen Wissenschaftsfeindlichkeit und Intelligenzverachtung.

Durch den großartigen Science-Fiction-Roman des chinesischen Autors Liu Cixin wird dieses Problem nun auf andere Weise in das öffentliche Denken eingeführt. Liu Cixin bezieht sich auf das Dreikörperproblem der Himmelsmechanik und damit darauf, dass ein Zweikörpersystem, also ein System aus zwei Himmelskörpern, wie der Erde und dem Mond, relativ einfach und nachvollziehbar beschreibbar ist, mit der Hinzufügung eines dritten Körpers, also etwa von drei Sonnen das System nicht mehr algebraisch integrierbar beschreibbar wird, die Beschreibung braucht plötzlich neue Mathematiken aus der Chaostheorie. Das ist vielen Menschen einfach zu kompliziert. Also vereinfachen sie. Komplexitätswissen ist weniger genussversprechend als Zweiwertigkeit.

Und so wird am Ende das ganze Sonnensystem in zwei Dimensionen gefaltet und geht damit unter.

Die Frage, welche sich stellt ist: Wie kann eine mehr als zweiwertige Diskussion genussvoll gestaltet werden?