Publizieren – Finden – Vergessen

Ich versuche hier mal einen kleinen Überblick und Ausblick auf die Internet-Entwicklung zusammenzufassen:

Schaut man sich die Stadien der Entwicklung des Internet an, so finden wir, dass es zuerst darum ging, zu

  1. Publizieren, also ungehemmt Informationen in einem nichthierarchischen Netzwerk zur Verfügung zu stellen. Das funktionierte mit der Entwicklung der Hypertext Markup Language (HTML) auf eine bisher nie dagewesene Weise. Mit HTML wurde realisiert, was mit dem „Programmierten Lernen“ angestrebt wurde. Damals wurden Bücher entwickelt, welche Sprungmarken zu anderen Kapiteln enthielten, je nach dem wie Fragen am Ende eines Abschnittes beantwortet wurden. Mit der Entwicklung des Web 2.0, des nutzergenerierten Contents explodierte die Menge an Informationen, welche auf Servern im Netz zur Verfügung stand. Die Problemsituation verschob sich von der Bereitstellung von Informationen zum
  2. Suchen von Informationen. Suchmaschinen wurden die wichtigsten Werkzeuge und besonders Google hat sich bekanntlich zum Synonym des Suchens entwickelt. Seine eigentliche Wirksamkeit entfaltete Google wie andere Suchmaschinen durch einen Nebeneffekt: Während nach den einen Informationen gesucht wurde, wurden andere Informationen gefunden. Das
  3. Finden von Informationen, bis hin zur Serendipity, dem glücklichen, scheinbar zufälligen Finden von Informationen wurde der nächste große Sprung. Das Konzept von Google, den Suchenden Werbung finden zu lassen, in einer zunächst durchaus unaufdringlichen Weise ging auf. Diese Informationen nach der
  4. Bedeutung zu ordnen erzeugt das Semantische Web oder das Web 3.0. Der nächste Schritt war, im Ozean von Wissensbruchstücken
  5. Aufmerksamkeit für Gefundenes zu generieren. Nun war es nicht einmal mehr vordringlich notwendig, eigene Inhalte zu produzieren und zur Verfügung zu stellen. Geschickte Jungunternehmerinnen und -unternehmer fanden Wege, den von Nutzern produzierten Inhalt auf bestimmte Strukturen zu fokussieren. YouTube, MySpace und viele Andere entwickelten sich, mitunter auch unfreiwillig, als Plattformen oder Portale für bestimmte Zielgruppen und Nutzerinteressen. Diese Aufmerksamkeit führte zur Bildung von Gruppen, welche sich in
  6. Sozialen Netzwerken treffen konnten. Xing, Facebook, VZ, unzählige Foren und mehr oder weniger geschlossene Systeme wurden die virtuelle Heimat von Menschen überall in der Welt. Jeder konnte von jedem alles wissen. Nun ist der Mensch kein statisches Wesen und wer als junger Mensch mal etwas veröffentlicht hat, möchte das später mitunter nicht mehr. So ist die filmische Karriere von Sibel Kekilli ein Beispiel für eine solche Wandlung. Doch das Netz vergisst nichts. Die nächste große Herausforderung wird die Möglichkeit des
  7. Vergessens, des Löschens von Informationen. Ob das möglich ist, ist nicht sicher. Einige Firmen bieten dazu schon Hilfe an. Wenn ein Buch einmal im Internet aufgetaucht ist, kann auch ein Digitales Rechtemanagement die Verbreitung nicht mehr hindern. Die Organisation und die Sicherstellung einer Privatsphäre und von Vergessen im Informationsnetz, das ist die Herausforderung, welche meiner Meinung nach in den nächsten Jahren auf uns alle zukommt.

    Nachtrag 1.Juni 2014: Nun hat der Europäische Gerichtshof das Recht auf Vergessen eingefordert und Google stellt erste Werkzeuge dafür zur Verfügung. Inwiefern das wirklich beim Vergessen von Inhalten hilft, die die Masse der Internetnutzerinnen und Internetnutzer interessiert, ist allerdings bei der Möglichkeit des universellen Repostings noch nicht sicher.

  8. Eine weitere Tendenz tritt in letzter Zeit verstärkt auf, die des staatlichen Verbietens und Einschränkens. Zum Beispiel Diktaturen des Orients, die Regierung der Türkei unter Erdogan und die Regierung Großbritanniens tun das ganz erfolgreich, zumindest für die technisch nicht versierten Kunden. Es ist durchaus möglich, dass unter dem Vorwand so genannter Terrorbekämpfung und Regulierung völlig neue Qualitäten des Internets entsteht, vermutlich zwiegespalten in aufregende sublegale und langweilige kommerziell-legale Sphären.