Was mich an Hannah Arendt von dem ersten Moment an, da ich ihr Werk lesen konnte, faszinierte, war die Strenge und Durchschlagskraft ihrer Gedanken. Zuerst glaubte ich, dass ihr diese Macht trotz ihres ideologiefreien Auftretens, ihres Verzichtes auf jede Herrschaftsrhetorik zukam. Später jedoch begriff ich, das es deswegen war.
Eben weil Hannah Arendt darauf verzichtete, Recht behalten zu wollen, konnte sie recht haben. Ihre Fragen waren viel gefährlicher als ihre Antworten. Mit dem Begriff des Totalitarismus bezeichnete sie auch die Theorie, in der ich aufgewachsen war, die meine Grundüberzeugung war. Das verletzte mich. Wir waren doch die Guten! Wie konnte uns jemand mit den Bösen in einen Topf werfen?
Später dann, als ich selbst mit einer anderen Welt, in die ich geworfen wurde, zurecht kommen musste, begriff ich erst nach und nach, was Hannah Arendt durch ihre Arbeit in der intellektuellen Welt erreicht hatte. Sie hatte die Legende von der Größe des Bösen zerstört, dabei aber auch die Legende von der Größe des Guten. Ihr ging es gar nicht um die Größe, sondern um die Tiefe. Nur weil jemand eine Welt zerstören kann, ist der Zerstörer nicht groß.
Tief dagegen ist nur, wer schafft, produziert, bewahrt, tief ist die Wurzel, aus der alles entsteht. Für Hannah Arendt war diese Wurzel vor allem das Denken, und das Aufschreiben des Denkens war die Technologie einer ganzen Generation von Denkenden seither. Nicht mehr Ergebnisse, sondern Prozesse, nicht mehr Resultate, sondern Rhizome, nicht mehr Standpunkte, sondern Gesichtspunkte gelten seither als intellektuelle Tätigkeit.
Sicher wurden die Schriften der Theoretikerinnen und Theoretiker seitdem unlesbarer, Standpunkte waren nicht mehr erkennbar, ja es galt und gilt immer noch als unfein, einen „Klassenstandpunkt“ einzunehmen – eine Grundbedingung für das Leben in der Welt, aus der ich kam.
Das war und ist für mich schon ungewohnt, schwierig. Vor allem, weil es immer wieder Menschen gibt, welche weder auf das Rechthaben, noch auf Machtrhetorik, noch auf Standpunkte verzichten und sich so immer wieder die Macht aneignen, die von der Intellektuellen aus Angst, als totalitär zu gelten, auf der Straße liegen gelassen wird. Roger Berkowitz spricht sogar von der Ohnmacht, der Dysfunktionalität der repräsentativen Demokratie.
Mehr und Genaueres dazu lesen sie in der Sonderausgabe des Philosophie-Magazins zu Hannah Arendt oder am besten bei ihr selbst.