Etwas nicht zu wissen (im Sinne vom Erfahren, Abspeichern und Verknüpfen von Informationen) oder zu können (im Sinne von Fähigkeiten und Fertigkeiten) ist leidvoll und erzeugt das Begehren, etwas lernen zu wollen.
Dieses „Lernen wollen“ tritt also in Form eines Begehrens nach einem Zusätzlichen, einer Erweiterung des Habens in das Bewusstsein ein: Erst habe ich das Wissen und die Fertigkeiten über z.B. die Zubereitung von Schokolade nicht, dann habe ich das Wissen und die Fertigkeiten. Ich habe mir das Wissen und die Fertigkeiten durch eine eigene Handlung, eine Aktivität, das Lernen, angeeignet.
Dieser Aneignungsprozess vergrößert meinen Wert, verändert mein Sein, wie ich durch akademische Grade, Zertifikate oder Arbeitszeugnisse nachweisen kann. Damit wird es denkbar, dass ich dafür einen Ausgleich leiste gegenüber denen von denen ich gelernt habe in Form von universeller Währung, Geld, oder von gleichartiger Währung, also Informationen oder Fertigkeiten (Du lehrst mich, ich lehre dich).
Dieser Aneignungsprozess ähnelt dem Aneignungsprozess, wie ihn John Locke als ursprüngliche Aneignung darstellt: Das Einschlagen von vier Pflöcken, das Abstecken des Claims ist eine aktive, persönliche Handlung, welche persönliches Eigentum als Recht und Übernahme von Verpflichtung durch Privatisierung von Gemeineigentum (was niemandem gehört, gehört allen, was mir gehört, gehört anderen nicht) begründet. Wenn das gesamte Gebiet angeeignet ist, findet weitere Aneignung durch Wegname (Raub oder Diebstahl) von Anderen statt.
Aber es gibt einen wesentlichen Unterschied: Eine Besonderheit der Aneignung und des Verkaufs von Wissen auf dem Markt ist, dass im Unterschied zu andere Waren, wie zum Beispiel Maschinen, Obst oder Rechten nach dem Verkauf das Wissen noch in meinem Besitz bleibt. Ich verliere nicht durch die Weggabe von Informationen und Fertigkeiten. Dies ist die Basis für die Entwicklung der menschlichen Zivilisation. Das Mit-Teilen von Wissen durch die verschiedenen Formen des Erzählens, vom Bericht bis zur Instruktion erzeugt den exponentiellen Wachstumsschub, der die menschliche Evolution von der tierischen so sehr unterscheidet. Formen sind die erzählte Geschichte (Regel und Religion), das Bild als gemalte Geschichte und das Buch (als geschriebene Geschichte). Aneignung von Wissen ist immer inklusiv.
Eine weitere Besonderheit der Wissensmitteilung und Fähigkeitsübertragung ist, dass sie nicht dem Dilemma von Haben und Sein unterliegen. Wer ein Ding aneignet, erzeugt Jemanden der dieses Ding nicht hat, dieses Eigentum ist exklusiv, ausschliessend. Wer sich Grundbesitz anschafft, nimmt es Anderen weg (Proudhon: „Eigentum ist Diebstahl!“). Sein Besitz ist ausschließlich, er hat es. Wer ein Wissen oder ein Können hat, nimmt es Anderen nicht weg, sein Besitz ist nicht ausschließlich, er teilt es.
Daraus entstehen alle Versuche, Wissen und Fähigkeiten exklusiv zu machen, also andere Menschen von diesem Erwerb auszuschließen oder den Erwerb so zu erschweren, dass es besonderer Leistungen für den Zugang zum Wissen bedarf. Dazu gehören heiliges Priesterwissen, Geheimsprachen, Wissenschaftssprachen und Fachtermini, Nutzungs- und Verwertungsrechte von Informationen, Geheimnisse, Copyrights, Verschlüsselung, Digitales Rechte Management und Ähnliches. Diese Versuche sind Versuche, die die evolutionäre Bedeutung von Wissensvermittlung zurückschrauben wollen, damit notwendig reaktionär.