Die Diskussion zur Ungleichverteilung von Vermögen ist ein weit diskutierter Topos. Dabei beobachte ich regelmäßig typische Begriffsverwirrungen:
Besitz (also Verfügungsgewalt) ist bekanntlich was anderes als Eigentum (persönliche Verantwortungsübernahme). Hier ist ein Problem, welches durch das Gleichnis nicht erfasst wird.
Proudhon hat Eigentum als Diebstahl definiert. Damit hat er den Fokus auf die Verteilung gelenkt und die Basis für Verteilungskommunismus gelegt.
Wenn schon die Fragen falsch gestellt werden, können die Antworten selten richtig sein.
Der Vektor der Empörung geht nicht zu den wirklich Mächtigen. Eigentum begründet nicht automatisch Macht. Die meines Erachtens wichtigen Fragen sind:
- Wie gehen Eigentümer mit Ihrem Eigentum um (verantwortungsvoll, ökologisch, vorausschauend oder verantwortungslos, kurzsichtig, engstirnig, eigennützig)? Was benötigen sie, um verantwortungsvoll mit ihrem Eigentum umzugehen, so wie sie zum Beispiel durch das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Art 14) dazu verpflichtet werden?
- Wer hat den Besitz, also die Macht über das Vermögen (was schon von der Wortbedeutung ein Potential ist, welches zur Realisierung gebracht werden muss, sonst existiert es nur an sich, nicht für jemanden)? Hier ist die Zielgruppe das Management, die Entscheider:innen!
- Haben überhaupt noch Menschen die Macht oder haben sie sich schon längst in Agenten des Kapitals (der Welt der Sachen – Die Verwechslung von Kapital und Kapitalisten ist ein ideologisches Problem) verwandelt?
Eine wirklich interessante Frage ist für mich: Wohin wird durch diese Art des Storytelling der Vektor der Empörung geleitet? „Smash capitalism“ ist eine beliebte Phrase. Ist „Capitalism“ aber wirklich „smashbar“? Was genau bedeutet das? Umverteilung von Möglichkeiten (Vermögen) oder Ergreifen von Möglichkeiten (Revolution)?
Wenn „Kapitalismus“ die Welt des Kapitals ist, ist der Kapitalist nur Agent des Kapitals:
Zur Vermeidung möglicher Mißverständnisse ein Wort. Die Gestalten von Kapitalist und Grundeigentümer zeichne ich keineswegs in rosigem Licht. Aber es handelt sich hier um die Personen nur, soweit sie die Personifikation ökonomischer Kategorien sind, Träger von bestimmten Klassenverhältnissen und Interessen. Weniger als jeder andere kann mein Standpunkt, der die Entwicklung der ökonomischen Gesellschaftsformation als einen naturgeschichtlichen Prozeß auffaßt, den einzelnen verantwortlich machen für Verhältnisse, deren Geschöpf er sozial bleibt, sosehr er sich auch subjektiv über sie erheben mag.
Diese Stelle von Marx wird immer wieder in ihrer Bedeutung unterschätzt. Für Marx war „Kapitalismus“ ein Naturprozess der Selbstentwicklung des Kapitals, also der Welt der Dinge. Dieser Prozess ist von gigantischer zivilisatorischer aber auch von gigantischer zerstörerischer Kraft.
Marx ging es nicht um den Kampf gegen „Kapitalisten“, wie es von vielen seiner Jünger immer wieder behauptet wurde, mit den daraus folgenden Massenmorden, Verhaftungen, Drangsalierungen, sondern um die Beherrschung, Steuerung, Regelung dieses Prozesses mit dem Ziel, dass diese Selbstentwicklungsprozesse (Autopoiesis) nicht zur Zerstörung der Menschheit führen.
Sich nicht nur subjektiv, also moralisch oder räsonierend, über diese Verhältnisse zu erheben, sondern aktiv und objektiv die Regelung (und das sage ich auch als gelernter Facharbeiter für Betriebsmess-, Steuer- und Regelungstechnik – BMSR) dieser Verhältnisse wissenschaftlich anzugehen, ist die Aufgabe von Techniker:innen, Philosoph:innen, Politiker:innen.
Es geht darum, die fatalen Folgen des Naturprozesses der Entwicklung des Kapitals zu verringern oder auszuschließen. Es geht darum, die Macht von Menschen über das Kapital wiederherzustellen. Es geht darum, das Leiden von Menschen unter dem Kapital zu verringern.